Elternunterhalt – bei gleichzeitiger Verpflichtung zum Barunterhalt nach § 1615 l BGB

Der 1941 geborene Vater des Antragsgegners ist pflegebedürftig und bezieht Sozialhilfe. Der Sozialhilfeträger hat die Ansprüche des Vaters gegenüber seinem Sohn auf Elternunterhalt auf sich übergeleitet und verlangt vom Sohn ab Januar 2012 Elternunterhalt.

Der Sohn ist nicht verheiratet. Er lebt in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, aus der eine im Dezember 2008 geborene Tochter hervorgegangen ist. Die Lebensgefährtin des Antragsgegners ist geschieden. Zwei aus ihrer Ehe stammende minderjährige Kinder leben ebenfalls im gemeinsamen Haushalt.

Das Amtsgericht hat den Sohn zur Zahlung rückständigen und laufenden Elternunterhalts verpflichtet. Dabei ist es u.a. davon ausgegangen, dass sich der Sohn nicht – wie ein verheirateter Unterhaltsschuldner – auf einen erhöhten Familienselbstbehalt berufen kann, weil er seiner Lebensgefährtin nicht zum Familienunterhalt verpflichtet sei. Diese Entscheidung wurde vom Oberlandesgericht im Wesentlichen bestätigt. Der Bundesgerichtshof meint, dass sich der Sohn, auch wenn er mit seiner Lebensgefährtin in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt und für den gemeinsamen Unterhalt aufkommt, nicht auf einen Familienselbstbehalt berufen kann. ABER: Eine eventuelle Unterhaltspflicht ist als sonstige Verpflichtung im Sinne von § 1603 Abs. 1 BGB vorrangig zu berücksichtigen. Weil das Oberlandesgericht einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt mit unzutreffenden Erwägungen abgewiesen hat, kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Wenn das gemeinsame Kind – wie hier – älter als drei Jahre ist, steht dem betreuenden Elternteil nach § 1615 l Abs. 2 S. 4 BGB dann weiterhin ein Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind kind- und elternbezogene Gründe zu berücksichtigen. Elternbezogene Gründe können bei zusammen­lebenden Eltern auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im Einvernehmen mit dem anderen Elternteil persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Eine rechtsmissbräuchliche Ausgestaltung des familiären Zusammenlebens zu Lasten des Anspruchs des Vaters auf Elternunterhalt ist hier nicht ersichtlich.

Der Bundesgerichtshof hat die angefochtene Entscheidung aufgehoben und das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht muss nun Grund und Höhe eines vorrangig zu berücksichtigenden Anspruchs auf Betreuungsunterhalt feststellen.

BGH, Beschluss vom 09.03.2016 – XII ZB 693/14

Bei Fragen zum Elternunterhalt wenden Sie sich in unserer Kanzlei in Stuttgart gerne an die Fachanwältin für Familienrecht Marlene Giray-Scheel. Vereinbaren Sie einen Termin!

Jetzt anrufen: 0711 2483830
Kanzlei Königstraße Köster & Kollegen Rechtsanwälte Fachanwälte Steuerberater hat 4,85 von 5 Sternen 265 Bewertungen auf ProvenExpert.com